Blog | "Lernen gehört für mich zum Leben"

21.04.2017
Marta Davidne Takacs und Johann Borostyan stehen im Optikergeschäft.

Im FiT-Programm lernte Marta Davidne Takacs (im Bild mit Johann Borostyan) Bewerbungen zu schreiben und ihren Lebenslauf zu verbessern und sich zu präsentieren. Der Rückhalt der Trainerinnen und Beraterinnen verhalf ihr zum nötigen Selbstbewusstsein.

Aus gesundheitlichen Gründen musste Marta Davidne Takacs sich beruflich neu orientieren. Mit dem FiT-Programm im Weinviertel bekam sie den Durchblick: als angehende Optikerin lernt sie täglich dazu.

Wenn Marta Davidne Takacs über ihren neuen Beruf spricht, entwischt ihr ein breites Lächeln und ihre Lachfältchen um die Augen tanzen. "Das klingt komisch, aber mich hat Licht schon immer fasziniert. Wie das funktioniert. Und jetzt arbeite ich damit." Mit 42 Jahren hat Marta Davidne Takacs ihren beruflichen Timer auf Null gestellt und von vorn angefangen. Ebenso wie ihre zwei Kinder und ihr Mann. Vor fünf Jahren kam die ungarische Familie nach einigen Jahren in Serbien nach Österreich. Marta fand einen Job als Putzkraft in einem Kindergarten, wechselte später in eine Wäscherei. Ihr Mann hatte früher Komponenten für Autotests in seiner eigenen Firma hergestellt, in Österreich startete er von vorn als Bodenleger. Ihre Kinder beginnen demnächst auch mit Ausbildungen, der Sohn will Wirtschaft studieren, die Tochter Vermessungsingenieurin werden. Marta Davidne Takacs wurde nach einer beginnenden Krankheit, die ihr das längere Sitzen und Heben unmöglich machte, arbeitslos. Das AMS vermittelte sie ins Frauen-Forum Gänserndorf, wo sie erste berufliche Beratung erhielt. Dort wurde sie auf das FiT-Programm (Frauen in die Technik) von ABZ*AUSTRIA aufmerksam gemacht und kam im Oktober ins FiT-Zentrum Weinviertel. Mit einer Beraterin ging sie mögliche berufliche Perspektiven durch und besuchte Werkstatt-Trainings von ABZ*AUSTRIA in Wien. Dort können Frauen ihre beruflichen Interessen erkunden. "Elektrotechnik hat mir besonders gefallen", erzählt sie. "Einen Stromkreis bauen mit Wechselschalter, das konnte ich gut. Ich wusste ja gar nicht, dass ich da Talent habe", lacht sie. Eine mögliche Karriere als Elektrotechnikerin legte sie aber ad acta: "Mir ist der Kontakt mit Menschen sehr wichtig, ich wollte mit Kund*innen arbeiten."

Bewerbung: lieber persönlich

In weiteren Beratungsgesprächen kam sie auf den Optiker*innenberuf, der sie auf Anhieb interessierte: "Es ist technisch spannend und ich habe Kontakt zu KundInnen." Im FiT-Programm lernte sie, Bewerbungen zu schreiben und ihren Lebenslauf zu verbessern und sich zu präsentieren. "Ich habe von den Beraterinnen und Trainerinnen viel Rückhalt bekommen. Dafür möchte ich mich bedanken", erzählt sie. Dieser Rückhalt führte auch zum nötigen Selbstbewusstsein. Denn die 42-Jährige wollte nicht einfach nur Bewerbungen an Personalchef*innen mailen. "Ich habe Firmen und offene Stellen recherchiert, mir eine schöne Bewerbungsmappe gemacht, bin in Geschäfte marschiert und habe mich vorgestellt." Einfach drauflos. Dabei konzentrierte sie sich auf Hör- und Optiker*innenfachgeschäfte. Sie erhielt viele Absagen. Oft wurde ihr gleich gesagt, dass keine Stelle frei sei. "Ein Grund für die Absagen war mein recht starker Akzent", vermutet sie. "Gerade bei Hörgeräten ist das schwierig, ältere Leute verstehen mich schwer." Aufgeben war für sie aber keine Option: "Ich habe das als Spiel betrachtet, bin nach einer Absage wieder los, habe mein Lächeln aufgesetzt und bin ins nächste Geschäft gegangen." Bis sie das Geschäft Nanu Optik von Johann Borostyan am Rennweg 46 in Wien betrat. Auch ihn fragte sie um einen Job - und er bot ihr zwei Schnuppertage an. Wo andere enttäuscht abgelehnt hätten, witterte Takacs eine Chance: "Ich sagte ja und hatte den Fuß in der Tür." Herr Borostyan verlängerte auf ein dreiwöchiges Schnupperpraktikum: "Ich habe gerade jemanden gesucht und wollte schauen, ob die Chemie stimmt. Denn man verbringt acht Stunden pro Tag zusammen - das ist mehr als in einer Ehe", lacht er.

Mit Marta Davidne Takacs klappt die Zusammenarbeit so gut, dass er ihr einen Ausbildungsplatz anbot. Das wurde wiederum über das FiT-Programm ermöglicht, denn die Ausbildung wird vom AMS finanziert. Marta Takacs besucht ab November die Berufsschule in Hall in Tirol, nebenher lernt sie in der punktgenauen Qualifizierung (im Training on the Job) bei Nanu Optik. "Ich lerne schon jetzt viel mit, auf Ungarisch und Deutsch", sagt sie. Auch einen Konversationskurs in Deutsch wird sie besuchen, um sich noch besser ausdrücken zu können. "Einen Vorteil habe ich bei ausländischen Kunden, ich verstehe immer gleich, was sie meinen", sagt sie. Dass sie mit 42 Jahren nochmal viel Neues lernen muss, stört die optimistische Frau so gar nicht, sie lächelt, als sie sagt: "Das Lernen gehört für mich zum Leben. So wird es nie langweilig."

Info: Das Arbeitsmarktservice (AMS) fördert mit dem Programm "Frauen in Handwerk und Technik" (FiT) die Karriere von Frauen in handwerklichen und technischen Berufen auf dem zweiten Bildungsweg. ABZ*AUSTRIA betreibt unter anderem das FiT-Zentrum im Weinviertel: An den Standorten Hollabrunn, Korneuburg, Mistelbach, Gänserndorf und Wien 21 werden Beratung, Kurse zur Berufsorientierung, Werkstatt-Trainings und Unterstützung bei der Suche von Praktikums- und Ausbildungsplätzen für die Frauen geboten. Die Unternehmen erhalten Beratung, die Ausbildung wird vom AMS finanziert.