Blog | B2B:Dialog ABZ*AUSTRIA „Pflege naher Angehöriger – Wie können Unternehmen Mitarbeitende unterstützen?“
Marion Koidl, Leiterin der ABZ*Organisationsberatung
Das Thema Pflege rückt in vielen Unternehmen zunehmend in den Fokus – so auch bei den ÖBB. Immer mehr Mitarbeitende stehen vor der Herausforderung, Beruf und Pflege von Angehörigen in Einklang zu bringen. Diese Doppelbelastung wirft für Unternehmen die wichtige Frage auf, wie sie ihre Mitarbeitenden bestmöglich unterstützen und langfristig im Erwerbsleben halten können.
Vor diesem Hintergrund lud ABZ*AUSTRIA in Kooperation mit den ÖBB am 30. September in die ÖBB Innovation Factory ein, um gemeinsam das Thema „Pflege von nahen Angehörigen“ zu beleuchten. Unter der Moderation von Manuela Vollmann, Geschäftsführerin von ABZ*AUSTRIA, bot die Veranstaltung den Teilnehmenden die Möglichkeit, sich mit Expert*innen und Unternehmensvertreter*innen über dieses drängende Thema auszutauschen.
ÖBB Vereinbarkeitsstrategie Beruf & Privat
Bereits 2009 wurde bei den ÖBB in Zusammenarbeit mit ABZ*AUSTRIA ein digitales Vereinbarkeitsservice, die „Railmap Karenz“ ins Leben implementiert. Dieses bietet für ÖBB Mitarbeitende maßgeschneiderte Informationen zu allen rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen rund um Karenzen, Auszeiten und flexiblem Arbeiten. 2015 folgten die ersten Kinderbetreuungsangebote, die seitdem kontinuierlich ausgebaut wurden. Ein weiterer Meilenstein war 2023 die Einführung einer Strategie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privat.
Traude Kogoj, Gleichbehandlungsbeauftragte des ÖBB-Konzerns und Leitung Inclusion & Diversity
„Unsere Mitarbeitenden durchlaufen verschiedene Lebensphasen – vom Eintritt ins Unternehmen über den Karriereaufstieg bis hin zur Pension. Es gibt Phasen, in denen viel Zeit für die Arbeit zur Verfügung steht, und solche, in denen private Herausforderungen mehr Raum einnehmen. In diesen Momenten ist die Unterstützung durch den Arbeitgeber entscheidend“, erklärt Isabell Gwenger vom Lösungscenter Inclusion & Diversity. Genau diese Lebensphasen wurden in die ÖBB Vereinbarkeitsstrategie Beruf & Pflege integriert – von der Familiengründung bis zur Pflege von Angehörigen. Für Traude Kogoj, Gleichbehandlungsbeauftragte des ÖBB-Konzerns und Leitung Inclusion & Diversity, ist es wichtig, eine Unternehmenskultur zu schaffen, die Beschäftigte in ihrer Vereinbarkeit entlastet.
Pflege und Gleichstellung – ein überholtes System, das Frauen besonders betrifft
Warum der Einsatz für Gleichstellung, insbesondere auch beim Thema Pflege unverändert wichtig bleibt, verdeutlichte Birgit Meinhard-Schiebl, Präsidentin der Interessengemeinschaft pflegender Angehöriger, eindrücklich. Obwohl Pflege alle Generationen und Erwerbstätigen betrifft, bleibt sie nach wie vor hauptsächlich Aufgabe der Frauen. Die traditionellen Rollenbilder haben sich in diesem Bereich kaum verändert. Zwar wird die informelle Pflege, also die Betreuung von Pflegebedürftigen durch Familienangehörige, zunehmend von professionellen Pflegeorganisationen übernommen, doch wissen viele pflegende Angehörige oft nicht, welche Unterstützung ihnen zusteht, da zahlreiche Angebote entweder unbekannt oder an hohe Pflegestufen gekoppelt sind. Zudem ist das Pflegegeldsystem, das auf einem Gesetz von 1993 basiert, längst überholt und entspricht nicht mehr den heutigen Anforderungen, insbesondere für Erwerbstätige. Unternehmen sind daher gefordert, pflegende Angehörige stärker zu unterstützen, und es bedarf dringend einer Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen.
Digitale Unterstützung für „Working Carers“
Inwiefern digitale Lösungen zur Unterstützung von „Working Carers“ für Unternehmen nützlich sein können, darüber sprach Marion Koidl, Leiterin der Organisationsberatung bei ABZ*AUSTRIA. Doch welchen konkreten Nutzen bieten diese webbasierten Roadmaps? In erster Linie erleichtern sie den Zugang zu relevanten Informationen für alle Phasen – vom Ausstieg (z.B. Karenz) über die Auszeit bis hin zum Wiedereinstieg. Neben Elternschaft wird auch das Thema Pflege umfassend abgedeckt, mit rechtlichen Informationen, Checklisten und Anlaufstellen. Ziel dieser digitalen Lösungen ist es, die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege zu verbessern und vor allem den „Mental Load“ der Mitarbeiter*innen zu verringern. Unternehmen, die solche Lösungen anbieten und ihre Mitarbeitenden umfassend informieren, profitieren dabei nicht nur von einer gesteigerten Arbeitgeberattraktivität, sondern auch von einer besseren Mitarbeiter*innenbindung und -motivation.
Fazit
Die Teilnehmenden waren sich einig: Eine gute Vereinbarkeitsstrategie, die auch das Thema Pflege einschließt, ist nicht nur ein gesellschaftlicher Beitrag, sondern auch ein wirtschaftlicher Erfolgsfaktor für Unternehmen. Hier die Rahmenbedingungen zu verbessern, gute Services und Orientierung zu bieten, sind ein Gebot der Stunde.
Fotocredit: © Sabine N. Grill