Blog | Integration braucht Bildung und Gleichstellung

25.04.2017
Fünf Personen sitzen auf langen Hockern. Vor ihnen befinden sich hohe durchsichtige Tische auf denen sich Getränke befinden.

Bei der Podiumsdiskussion wurde der Fokus auf die Situation und Perspektiven von geflüchteten Frauen gelegt.

Die Wichtigkeit auf gesellschaftliche Herausforderungen einzugehen stand bei der Veranstaltung am 19. April 2017 vom Deloitte Future Fund im Mittelpunkt

Seit einem Jahr liegt der Fokus des Funds auf der Schaffung von Perspektiven von Geflüchteten. Bei der Podiumsdiskussion "Perspektiven schaffen. Wie Integration durch Arbeit gelingen kann" legte Manuela Vollmann, Geschäftsführerin von ABZ*AUSTRIA, das Augenmerk auf die Situation und Bedürfnisse von geflüchteten Frauen.

Bezugnehmend auf die aktuelle politische Situation kritisierte Manuela Vollmann zu Beginn der Podiumsdiskussion die starke Marginalisierung von geflüchteten Frauen in Österreich. Wenn hierzulande von Geflüchteten die Rede ist, denken viele an Männer, die sich allein auf den Weg nach Europa machen. Die Gruppe der Frauen ist zahlenmäßig kleiner und spielt deshalb im öffentlichen Bewusstsein kaum eine Rolle. "Die Realität ist, dass Frauen, die geflüchtet sind, nur dann sichtbar werden, wenn über das Kopftuch diskutiert wird", kritisiert Manuela Vollmann die aktuelle Situation. Diese Art von Diskurs möchte sie stoppen: "Denn wesentlicher für Gesellschaft und Wirtschaft ist es sich auf die Talente und Kompetenzen der zugewanderten Frauen zu konzentrieren, als auf reine Äußerlichkeiten", sagt Manuela Vollmann.

Wenn Östereicher*innen mit türkischem Migrationshintergrund für Erdogan abstimmen, haben Bildungszugänge versagt

Die Auseinandersetzung mit dem Umgang mit Menschen, die nach Österreich kommen, erscheint wichtiger denn je, wie aktuell das Türkei Referendum zeigt. Von den 273.000 Österreicher*innen mit türkischem Migrationshintergrund waren 108.568 wahlberechtigt. 38.215 stimmten für die Verfassungsreform. 13.972 dagegen. Für Vollmann zu viele Stimmen dafür und damit ein eindeutiges Zeichen, dass u.a. auch Bildungszugänge und Möglichkeiten nicht für alle gereicht haben, um in Österreich anzukommen. Für die Gleichstellung von Frauen und Männern ist es ein tragischer Rückschritt, wenn in der Türkei nun das Bild des starken Mannes, der auf den Tisch haut und sich über jedes Gesetz erhebt, in diesem Führungsmodell manifestiert wird.

Kompetenzchecks

Vollmann beschäftigt sich auch in der eigenen Organisation stark mit den Themen Migration, Bildung und Arbeitsmarkt im Zeichen der Gleichstellung. ABZ*AUSTRIA führt seit 2015 Kompetenzchecks speziell für geflüchtete Frauen durch, um ihre Einstiegschancen in den Arbeitsmarkt durch Erkennen ihrer Kompetenzen und Potentiale zu fördern. Kompetente Trainerinnen unterstützen die Frauen in ihrer Muttersprache und in Deutsch dabei ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt einzuschätzen und sich bestmöglich auf den Einstieg vorzubereiten. In Zusammenarbeit mit Unternehmen können die Frauen mit Fluchthintergrund ihre Kenntnisse in Schnupperpraktika erproben. "Ungefähr 60 Prozent der weiblichen Flüchtlinge kommen mit Matura oder einem Studium nach Österreich. Den Frauen fehlt oft die Berufserfahrung, aber aus den Angeboten wissen wir, dass sie wissbegierig und hungrig auf Lernen und Arbeiten sind", erzählt Manuela Vollmann, "diese Talente und dieses Potenzial darf nicht liegen gelassen werden." Die Verbindung mit aktuellen Diskussionen um neue Arbeitswelten ist für Vollmann ebenfalls zentral: "Wir müssen den gesamtgesellschaftlichen Diskurs mit den wichtigen Diskussionen, um Start-ups, Digitalisierung und Arbeit 4.0 verbinden, so wie ABZ*AUSTRIA das in laufenden Projekten tut."

Für eine nachhaltige Integration ist es essentiell, Kurse und Angebote speziell für geflüchtete Frauen anzubieten. Sie machen ein Drittel der aktuell nach Österreich geflüchteten Personen aus. "Wir dürfen – ich sage es sehr salopp – die Mütter unter den Neuzugezogenen nicht hinter dem Herd verschwinden lassen, denn dann haben wir in zehn Jahren ein großes Problem mit der nächsten Generation. Speziell Frauen anzusprechen hat ganz klar mit Demokratieentwicklung zu tun. Kinder, sowohl Burschen wie auch Mädchen, sollen die Möglichkeit haben, ihre Mütter und Väter in verschiedenen Rollen zu erleben", sagt Manuela Vollmann. Frauen mit und ohne Kinder fungieren als Integrationsmentorinnen, die ein neues Rollenverständnis und neuerworbene Sprachkenntnisse an ihre Kinder und/oder Communities weitergeben. So erhöhen sich auch die Chancen der nächsten Generation auf Bildung und Arbeit und damit auf eine bessere Zukunft.

Unternehmen haben im Integrationsprozess eine zentrale Rolle

Ein zweiter wesentlicher Punkt in der Arbeit mit geflüchteten Personen, ist die Einbindung von Unternehmen. Je schneller neuzugezogene Menschen ihren Platz am Arbeitsmarkt finden, desto eher funktioniert Integration. Sprachkenntnisse können im Berufsalltag ausgebaut und vertieft werden. Hierfür gibt es Förderungen für Unternehmen, die bereit sind mit Praktika und Arbeitsangeboten, geflüchtete Menschen zu unterstützen. "Durch Kooperation kommt die meiste Innovation zustande. Ich wünsche mir daher einen abgestimmten, kooperativen Masterplan, bei dem Interessensvertretungen gerade für Klein- und Mittelbetriebe mit NPOs, NGOs und der öffentlichen Hand zusammenarbeiten. Damit auf Augenhöhe neue innovative Ansätze möglich werden", sagt Manuela Vollmann, "für Frauen wünsche ich mir, dass in den Programmen zumindest ein Anteil von 50 Prozent an Frauen berücksichtigt wird."