Blog | Es ist ihre Leistung

25.08.2017
Ein Fußball steht auf dem Rasen in einem Fußballstadion.

Teilnehmerin eines FiT-Programms: "Ich will beweisen, dass ich es kann. Dafür muss ich einfach viel mehr leisten als meine männlichen Kollegen." Fotocredit: Pixabay

Frauen müssen mehr leisten, um anerkannt zu werden. Das zeigt sich im Fußball ebenso wie im Berufsleben.

Kürzlich hat Sabine M. Fischer, Inhaberin von Symfony Consulting, einen interessanten, wenn auch zugespitzten Gastkommentar in der Wiener Zeitung verfasst. Sie beschreibt, wie im Falle des ÖFB-Frauenfußballteams ÖFB-Präsident Leo Windtner und Sportreporter Michael Kasper beim Ö1-Journal zu Gast (vom 19.8.2017) ein Eigentor erzielten - was die Kommunikation über Frauenleistung betrifft.

Fischers Text interpretiert den Subtext des Gesprächs und gibt nicht, wie man meinen könnte, die Originalzitate von Leo Windtner wieder. Die waren nicht so drastisch, aber dennoch interessant. Wir möchten kurz genauer die Worte beleuchten, die im Gespräch gefallen sind:

Zu Beginn fragt Reporter Michael Kasper: "Sie sind bei beiden Europameisterschaften gewesen: warum waren die ÖFB-Frauen so locker und offensichtlich erfolgreich und die Männer im letzten Jahr so verkrampft und weniger erfolgreich?"

Ein direkter Vergleich sei nicht möglich, antwortete Leo Windtner. Es seien zwei Welten, betonte er immer wieder, man müsse klarstellen, "dass im Frauenfußball andere Gesetze herrschen, dass das soziale Gefüge sich anders darstellt. Dass die herzerfrischende Art, wie unsere Mädchen ans Werk gegangen sind, ganz Österreich und auch viele in Europa überzeugt hat." Bei der Fußball-EM der Männer hingegen vor einem Jahr sei die Last von einem Spiel zum anderen schwerer geworden, "da ist es nicht leicht, der Negativspirale zu entrinnen."

In Bezug auf die österreichische Frauen-Nationalmannschaft von "Mädchen" mit ihrer "herzerfrischenden Art" zu schwärmen und anschließend von den Männern zu berichten, die sich von Spiel zu Spiel durchgekämpft hatten, ist schon ziemlich klischeehaft. Doch es geht hier nicht darum, Herrn Windtner frauenfeindliche Bösartigkeit oder Strategie zu unterstellen, will er doch den Frauenfußball in Österreich immerhin gezielt fördern.

Bemerkenswert sind vielmehr die unbewussten Fallstricke, in die wir uns – Männer wie Frauen – aufgrund unserer Sozialisation hineinbegeben. Und die besagen: Die Leistung von Frauen ist weniger wert als die von Männern.

Es zieht sich durch

Das ist so, wenn in der Gesellschaft Frauenfußball immer noch nicht als "richtiger" Fußball gesehen wird (was sich hoffentlich mit dem Erfolg der ÖFB-Frauen ändert). Das ist so, wenn Frauen bei gleicher Position im selben Beruf immer noch weniger verdienen als Männer. Das ist so, wenn die Leistung von Frauen in der Öffentlichkeit immer noch unsichtbar ist - als Wissenschaftlerinnen, Politikerinnen oder Künstlerinnen. Und das ist so, wenn sich Männer selbst beweihräuchern für eine Leistung, die sie gar nicht (allein) erbracht haben und Frauen klein beigeben und lieber andere in den Vordergrund stellen (jeder kennt Albert Einstein, doch kaum jemand seine erste Frau Mileva, die ihn als Wissenschaftlerin fachlich unterstützte).

Die – oft unbewusste – Tendenz, die Leistung von Frauen nicht anzuerkennen, sie als Glücksfall oder Ergebnis von weniger Druck und minderen Anforderungen abzuwerten, ist das Ergebnis einer Sozialisation, die Mädchen und Frauen über die vergangenen Jahrhunderte hinweg als weniger wert klassifiziert hat. Nicht nur Männer, auch Frauen haben diese Abwertungen internalisiert. Das betrifft auch das eigene Selbstbild: Ein Experiment des Bonner Instituts für Arbeit, bei dem weibliche und männliche BWL-Studierende ihre Leistung einschätzen mussten, zeigt: Frauen wie Männer übertreiben ihre Leistung bei finanziellen Anreizen. Allerdings hatten die Männer ihre tatsächliche Leistung von vornherein um rund 30 Prozent überschätzt, die Frauen hingegen um weniger als 15 Prozent.

Was war mei' Leistung?

Wir müssen reflektieren, über unsere Haltung, unser Selbstbild als Frauen und auch über den Leistungsbegriff. Wir müssen Männer auch darauf hinweisen, wenn sie unsere Leistung (mal strategisch-bewusst, mal unbewusst) schmälern. Und wir müssen zeigen, was wir können - und wir müssen oft mehr leisten, als Männer das tun. Eine junge Frau, Teilnehmerin des Programms "Frauen in die Technik", brachte es kürzlich in einem Gespräch auf den Punkt: "Ich will keine Fehler machen, ich will beweisen, dass ich es kann. Dafür muss ich einfach viel mehr leisten als meine männlichen Kollegen."

ÖFB-Sportdirektor Willi Ruttensteiner fand während der EM für die ÖFB-Frauen übrigens passende Worte, die sich nicht gegenüber dem Männersport unterscheiden: "Die Mannschaft tritt sehr diszipliniert auf, überzeugt als Kollektiv. Die kämpferische Leistung war herausragend", sagte er nach dem Spiel gegen Frankreich. So geht’s also auch.