Blog | AMS-Forschungsgespräch bei ABZ*AUSTRIA: Im Zugzwang der Digitalisierung: Frauenbeschäftigung in Österreich quo vadis?

23.10.2018
Manuela Vollmann, die Geschäftsführerin von ABZ*AUSTRIA moderiert eine Diskussion.

Manuela Vollmann (ganz li.): "Das Forschungsgespräch ist ein guter Rahmen, um aktuelle Themen zu diskutieren. Auch um Erfahrungen aus der Praxis mit Thematiken aus der Forschung zu verbinden."

Digitalisierung - ein Schlagwort, das seit Jahren in aller Munde ist.

Prozesse werden automatisiert, Arbeitsplätze verschwinden - aber stimmt das? Welche Erkenntnisse liefert die Forschung und welche Prognosen machen ForscherInnen und ExpertInnen aus der Praxis für die kommenden Jahre? Den Raum für Austausch lieferte das AMS-Forschungsgespräch im Rahmen des Business Frühstücks bei ABZ*AUSTRIA.

Eine Gruppe von Menschen diskutiert. Zwei Frauen links reichen sich die Hand.

Der österreichische Arbeitsmarkt 2023: Es wird einen Anstieg der unselbstständigen Beschäftigung geben.

Business-Frühstück: ExpertInnenaustausch mit Kaffee und Kuchen

Kaffeemaschinen surren, Tassen klappern und die TeilnehmerInnen bedienen sich am Frühstücksbuffet, um sich für die kommenden zwei Stunden zu stärken. Denn ihnen allen brennt eine Frage unter den Nägeln: Wie beeinflusst die steigende Digitalisierung die Berufs- und Branchenwelt? "Eine wichtige Aufgabe von uns ist es, nicht für die Schublade zu produzieren, sondern unsere Forschungsergebnisse und aktuellen Themen unter die Leute zu bringen", erklärt René Sturm aus der Abteilung Arbeitsmarktforschung und Berufsinformation vom Arbeitsmarktservice Österreich den Sinn und Zweck des gemeinsamen Vormittags. Auch ABZ*AUSTRIA Geschäftsführerin Manuela Vollmann blickt voller Spannung den spannenden Präsentationen und Gesprächen entgegen. "Das Forschungsgespräch ist ein guter Rahmen, um aktuelle Themen zu diskutieren. Auch um Erfahrungen aus der Praxis mit Thematiken aus der Forschung zu verbinden", begrüßt sie das zahlreich erschienene Publikum. Leistungsstärkere IT-Systeme, steigende Internetnutzung, bessere Entwicklung bei Robotik und Sensorik, neue Produktionstechniken, Veränderungen in der Kommunikation - all das sind nur Teilbereiche, fassen aber den Trend zusammen: Die Zukunft wird digitaler und wirkt sich auf den Arbeitsmarkt aus.

Wie genau, das wissen die beiden ForscherInnen Julia Bock-Schappelwein und Ulrike Huemer vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung Wien (WIFO), das regelmäßig vom AMS mit Studien beauftragt wird. In zwei Studien haben die ExpertInnen sich folgender Frage gewidmet: Was lässt sich aus der mittelfristigen Branchen- und Berufsprognose für Österreich bis 2023 ableiten?

Wie sieht der österreichische Arbeitsmarkt 2023 aus?

"Der Grund für die Studien ist, frühzeitig Trends am Arbeitsmarkt abschätzen zu können, weil Qualifizierungsbedarf besteht. Wir haben einen Sieben Jahre-Prognosenhorizont gewählt, der es dem AMS ermöglicht, Interventionen zu setzen. Andererseits bleiben die Ergebnisse auch plausibel.", klärt Ulrike Huemer zu Beginn der Präsentation auf. Die Untersuchung von 38 Branchen und 59 Berufsgruppen zeigt: Es wird einen Anstieg der unselbstständigen Beschäftigung geben. Zudem stellen sie einen Trend zur beruflichen Tertiärisierung und zu hoch qualifizierten Tätigkeiten fest. Als Herausforderung sehen sie dabei eine Ausweitung der Beschäftigung Älterer, die diese Prognose erfordert.

Zukunftsbringende Kompetenzen und Qualifikationen

Julia Bock-Schappelwein stellt in ihrer Studie fest "Bei den Dienstleistungen haben wir Wachstum in allen Bereichen beziehungsweise zumindest keinen Rückgang. Was hier ganz stark am Wachsen ist, sind die hochqualifizierten Tätigkeiten", führt die Forscherin aus. Doch das Forschungsteam wollte es genauer wissen: Welche Veränderungen finden aktuell in den Unternehmen bereits statt? Das Ergebnis zeigt klar: Weniger körperlich anstrengende, monotone und einfache Tätigkeiten, dafür mehr Überwachungsaufgaben, neue Aufgabenprofile und Anforderungen an die Tätigkeit, steigende Bedeutung von Kommunikation im Unternehmen, Bedeutungsgewinn kognitiver Aspekte der Arbeit, Bedeutungsverlust manueller Routinearbeit und Kombination fachlicher Kompetenz und IT-Fähigkeiten.

Bündel an Qualifikationen und Kompetenzen

"Nun ist die Frage, welche Qualifikationen werden künftig noch gefragt sein? Wir wissen nicht genau, wohin es geht, man kann nur etwas für die nahe Zukunft sagen: Wir brauchen die Fähigkeit zur Anpassung. Wir brauchen ein Bündel an formaler Qualifikation, an Kompetenzen und Fähigkeiten, die uns von Robotern oder programmierten Algorithmen unterscheiden. Es geht darum, dass wir kommunizieren können, dass wir Information interpretieren und verstehen können, dass wir unstrukturierte Probleme lösen können", führt die Expertin weiter aus. Eine Basis an Kompetenzen sehen die Forscherinnen dabei als Schlüsselfaktoren - ist diese Basis vorhanden, können andere Qualifikationen darauf aufbauen. Aufgrund der Bildungsstandardergebnisse stellen die Forscherinnen dringenden Handlungsbedarf fest, als essenziell beurteilen sie auch den Zugang zur Existenzsicherung bei der Weiterbildung und die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben.

Manuela Vollman, Geschäftsführerin von ABZ*AUSTRIA spricht zum Publikum.

Zwei Stunden Austausch, Input und Diskussion

Wenn Forschung und Praxis sich austauschen

Nach einer kurzen Umbaupause treffen auf dem Podium Expert*innen aus der Forschung auf jene aus der Praxis. Hausherrin und Moderatorin des Podiums Manuela Vollmann hat viele Fragen: Wie sehen die ExpertInnen die davor präsentierten Prognosen? Wie sieht es in der Praxis aus? Nina Schmidt, Head of Human Resources bei Microsoft Austria, weiß: " Das Internet und die Digitalisierung bringen auch viele Vorteile. Jeder hat online Zugang zur Bildung. Das wird total unterschätzt und ich sehe einen Unterschied bei der Generation, die jetzt ins Berufsleben einsteigt - sie bildet sich übers Internet weiter", berichtet sie aus der Praxis. Zudem betont sie, dass gerade im Anstellungsprozess der Mensch immer wichtiger wird als je zuvor. Denn Prozesse werden digitalisiert, die Entscheidung muss am Ende jedoch der Mensch treffen.

Unternehmerischem Feingefühl

Zustimmen kann ihr dabei Johanna Hummelbrunner von der Personalleitung der Bosch Gruppe Österreich. "Die Bewerbungen kommen automatisiert herein und wir müssen rasch reagieren", stimmt sie ihrer Kollegin zu. Wenig hält sie dabei von Algorithmen, die die passenden Kandidat*innen auswählen: "Ich brauche lauter Individuen und am liebsten sind mir die mit unangepassten Lebensläufen, weil die es weit bringen. Die wissen, wie man situativ reagiert, wie man mit Belastbarkeit, Frustration und Ähnlichem umgeht - die schaffen es auch weiter", berichtet sie aus dem Alltag in der Personalleitung. Neben den beiden Expert*innen aus der Praxis sind auch die Forscher Wolfgang Bliem vom Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft und Roland Löffler vom österreichischen Institut für Berufsbildungsforschung dabei, die das Thema Digitalisierung von einem wissenschaftlichen Standpunkt beleuchten.

"Wir haben 2017 begonnen, Expert*inneninterviews zu führen. Die Zielsetzung ist es, einen nicht ganz strengen Forschungsansatz zu verfolgen, sondern mit unterschiedlichsten Leuten aus Betrieben, Forschungseinrichtungen, universitären Fachhochschulen etc. das Thema Zukunft der Arbeitswelt vor dem Hintergrund der Digitalisierung zu beleuchten.", klärt Wolfgang Bliem über den Forschungsauftrag auf. Er betont, dass die Digitalisierung den Zugang zu manchen Berufen, besonders im technischen Bereich, erleichtert hat, dass jedoch immer noch der Anteil der Frauen in vielen Bereichen nicht steigt und er hier eine Herausforderung für die Zukunft sieht.

Roland Löffler fasst nach den bisher durchgeführten Interviews zusammen, dass es in Zukunft verschiedene schulische Schwerpunkte geben wird: "Das eine ist die Hardware - Ausstattung von Schulen mit entsprechendem Internetzugang. Das Zweite ist die Software: Das heißt, nicht nur digitale Medien und Hilfsmittel anbieten, sondern mit diesen Mitteln anders umzugehen." Zudem sieht er als Schlüsselfaktor, dass ein verantwortungsvoller und kritischer Umgang mit Medien gelehrt werden muss.

Frauen in der Technik: Wer suchet, der findet!

Zur erwähnten Problematik, dass viele Unternehmen eine geringe Anzahl an Bewerberinnen für technische Ausschreibungen verzeichnet, ergänzt Nina Schmidt abschließend: "In den seltensten Fällen haben sich die Frauen bei uns beworben. Wenn ich meinen Frauenanteil verändern will, habe ich als Unternehmensführung die Aufgabe, dass ich Frauen motiviere - es gibt sie, sie müssen nur gefunden werden."

Mit neuen Ideen ans Tagwerk gehen - die Begrüßungsworte von ABZ*AUSTRIA Geschäftsführerin Manuela Vollmann haben sich nach zwei Stunden Austausch, Input und Diskussion bestätigt und die Teilnehmenden verlassen das Forschungsgespräch mit Fakten, Inspirationen und neuen Zugängen.