Blog | Sind Frauen die besseren Führungskräfte?

19.05.2017
Silhouette einer Frau vor blauem Hintergrund mit der Aufschrift Leadership.

Gesucht werden Führungskräfte, die auf ihre Mitarbeiter*innen eingehen, die echte Leader sind, anstatt nur zu managen. Fotocredit: geralt/Pixabay

Mit Frauen an der Spitze von Politik und Wirtschaft wäre vieles besser - Warum das eine gefährliche Haltung ist

"Ich bin überzeugt: Gäbe es mehr Frauen in Verantwortung, hätten wir eine andere politische Kultur." So brachte es die scheidende Grünen-Chefin Eva Glawischnig in ihrer Abschiedsrede auf den Punkt. Sie wünsche sich mehr weibliche Führungskräfte. Oft sei sie die einzige Frau unter Politikern gewesen. Dabei müsse Führung "nicht zwingend in Slim-Fit-Anzügen" daherkommen. Die verstorbenen SPÖ-Politikerinnen Barbara Prammer und Sabine Oberhauser seien für sachliche Lösungen gestanden, nicht für ein "Duell der Eitelkeiten".

Auf einer Podiumsdiskussion zur neuen Arbeitswelt sagte kürzlich ein Moderator, die neue Arbeitswelt sei für Frauen eine Chance: Denn es würden künftig empathische, soziale Führungskräfte gesucht.

Die Diskussion über Leadership und Geschlecht hat offenbar neue Züge angenommen: In den 1950ern hat ma(n)n Frauen noch völlig abgesprochen, gute Führungskräfte oder Politikerinnen sein zu können - das war schlicht nichts für ihr zartes Wesen. Heute werden sie als die "besseren" Führungskräfte mit ihren vermeintlich "typisch weiblichen" Attributen gehandelt: sozialer, empathischer, kollegialer, sachlicher.

Führen Frauen anders? Sind sie tatsächlich "besser" als Männer? Gäbe es weniger Konflikte, Machtstreben, Rücksichtslosigkeit, wenn mehr Frauen an der Spitze wären?

Hierzu mühen sich Forschungsstudien ab, eine Antwort zu finden. Einige sagen ja, andere sind unentschlossen. Die Antwort ist wohl: Es kommt darauf an. Mit einer Marine Le Pen an der Spitze haben auch Frauen wenig zu lachen. Margaret Thatcher war nicht gerade wegen ihrer weiblichen Fähigkeiten und ihrer soft skills bekannt. Es gibt Frauen und Männer, denen die notwendigen Kompetenzen als Führungskraft fehlen. Ein weiteres Indiz, warum Frauen bessere Führungsfähigkeiten unterstellt werden, ist: schlechte männliche Chefs fallen mehr auf, weil es schlicht mehr von ihnen gibt. Und hier sollte vor allem strukturell angesetzt werden.

Will man mehr Frauen in Führungspositionen, so kommt Bildung und Erziehung eine besonders wichtige Aufgabe zu, denn es geht darum, bereits vom Kindergartenalter an Klischees aufzubrechen. Auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist eine gesellschaftliche Herausforderung. Nötige Rahmenbedingungen wie ausreichende und qualitative Kinderbetreuungsplätze, sind noch nicht genügend gegeben. Unter anderem brauchen wir in Österreich neue Kinderbetreuungsmodelle, die sowohl Eltern die Möglichkeit bieten, den Entwicklungsprozess der Kinder qualitätsvoll zu unterstützen, als auch ohne „schlechtes Gewissen“ der Erwerbstätigkeit nachgehen zu können. Nach wie vor sind es viel mehr Frauen als Männer, die wegen einer Familiengründung ihre Arbeitszeit reduzieren und häufiger teilzeitbeschäftigt sind. In diesem Sinne soll daher ein neues Bewusstsein für eine partnerschaftliche Aufteilung von Betreuungspflichten geschaffen werden, um beiden PartnerInnen zu ermöglichen, sich entsprechend ihrer Qualifikation beruflich engagieren zu können. Zeitgleich benötigen wir einen Prozess für mehr gesellschaftliche Akzeptanz von Frauen und Männern, die sich für Kind UND Karriere entscheiden sowie Unternehmen, die neue Arbeitszeit- und Arbeitsorganisationsmodelle anbieten (z.B. Homeoffice, Top-Job-Sharing Modelle, Vertrauensarbeitszeit ohne Kernzeiten etc.).

Anders ist eben nur anders

Das Männer und Frauen genau gleich sind, mag wohl niemand ernsthaft behaupten. Es gibt Tendenzen der Andersartigkeit, die auch Geschlechterforscher*innen und Biolog*innen bestätigen. Ob sie nun biologistisch oder durch Sozialisation bedingt ist, darüber streiten sich die Forscher*innen. Klar ist: Anders heißt nicht unbedingt besser oder schlechter. Und: Gefährlich ist es, aus Tendenzen Klischees zu machen und daraus Pauschalisierungen abzuleiten - in welche Richtung auch immer.

Pauschalisierungen determinieren Menschen, reduzieren sie auf ein Label, das ihnen ungefragt auf die Stirn geheftet wird. Ob positiv oder negativ ist letztlich egal. Das Individuum wird nicht mehr in seiner Eigenart gesehen und das ist gefährlich.

Jeder Mensch vereint weibliche und männliche Eigenschaften in sich, die mal mehr, mal weniger herauskommen. Und die je nach den aktuellen gesellschaftlichen Werten mal negativ, mal positiv ankommen. Das ist zum Teil zwar schon eine Frage der - geschlechtsspezifischen - Sozialisation, aber eben nicht nur. Wichtig ist nicht, ob man Frau oder Mann ist, sondern ob man die Eigenschaften besitzt, die heute und in Zukunft gefragt sind. Das sind zum Teil Eigenschaften, die gemeinhin als eher "weiblich" bezeichnet werden, die aber jeder und jede haben kann. Gesucht werden Führungskräfte, die auf ihre Mitarbeiter*innen eingehen, die echte Leader sind, anstatt nur zu managen. Die Orientierung geben, aber auch Freiraum. Die Vertrauen in ihre Mitarbeiter*innen haben und Weitblick. Die kollaborieren anstatt zu konkurrenzieren. Das ist von Männern und Frauen gleichermaßen zu erwarten. Wer sich damit leichter tut, ist letztlich immer noch eine Frage der Individualität. Fakt ist aber in jedem Fall hat der einsame zumeist männliche Manager an der Spitze eines Unternehmens ausgedient.

Wir brauchen viel mehr gute Leader in Führungspositionen. Und ja, wir brauchen viel mehr Frauen in Führungspositionen - weil viele Frauen Potenzial für gutes Leadership haben. Und wir brauchen weniger schlechte Chefs. Ob Männer oder Frauen, ist hier schließlich egal.