Blog | Gute Planung ist das halbe Leben
Zekiye Cantilav ist auf Wiens Straßen unterwegs und bringt Autofahr-Neulingen das sichere Fahren bei.
Schlägt man das Wort Zielstrebigkeit im Wörterbuch nach, findet man vermutlich ein Bild von Zekiye Cantilav.
Denn die dreifache Mutter hatte schon immer ein Ziel: Sie wollte Fahrlehrerin werden. Durch viel Einsatz, Fleiß und mithilfe des Projekts "Wiedereinstieg mit Zukunft – Zukunft mit Wiedereinstieg" hat sie sich ihren Traum erfüllt und übt ihren Beruf heute mit Leidenschaft aus. Das Projekt wird in einer Bietergemeinschaft von ABZ*AUSTRIA und dem bfi durchgeführt und ist vom Arbeitsmarktservice Wien gefördert.
Auf der Überholspur zum Traumberuf - Powerfrau mit klarem Ziel
Wenn Zekiye Cantilav über Autos spricht, beginnt sie zu strahlen. "Als ich meinen eigenen Führerschein gemacht habe, habe ich gewusst: Ich werde Fahrlehrerin werden - ich liebe es, Autos zu fahren und es anderen beizubringen", erzählt sie mit Begeisterung, während sie einen Schluck Kaffee trinkt. Schon als Kind hat sie sich beim Autofahren hinter ihren Vater gesetzt, um zu beobachten, wie er fährt. Mit den Jahren stieg auch ihre Begeisterung für Autos. Doch bis sie sich ihren beruflichen Traum erfüllen konnte, sollten 10 Jahre vergehen. "Ich habe mit 17 geheiratet, keinen Beruf gehabt und dann gleich Kinder bekommen und war Hausfrau. Ich war zufrieden, aber nicht innerlich, weil ich mir gedacht habe: Was ist, wenn die Kinder erwachsen sind? Immer Hausfrau bleiben, ist nicht meine Sache. Ich bin verheiratet, aber das ist keine Grenze für mich." Gesagt, getan. Als ihre Kinder selbstständig genug waren, rückte sie sich in die erste Reihe und wusste: Jetzt ist die Zeit gekommen, meinen beruflichen Traum zu verwirklichen.
Zekiye Cantilav reiht sich unter die wenigen Fahrlehrerinnen in Wien ein, die ein Kopftuch tragen.
"Ich liebe den Beruf und arbeite sehr gerne"
Das AMS vermittelte sie an ABZ* AUSTRIA, wo sie schon in ihrem Erstgespräch klarstellte, dass sie einen ganz genauen Plan hat, was sie machen will. Begeistert von ihrem Enthusiasmus haben die Betreuerinnen von ABZ* AUSTRIA ihr dann geholfen, die richtigen Kurse zu finden und eine Förderung dafür zu bekommen. "Ich habe damals gesagt: Ich liebe Autos, ich will das machen und kann mir nichts anderes vorstellen. Ich sehe mich in Zukunft nur im Auto als Fahrlehrerin. Sie haben sich dann gekümmert und ich bedanke mich sehr bei ABZ* AUSTRIA. Ich bin immer noch in Kontakt mit meinen Betreuerinnen und sie haben mich von Anfang bis zum Ende unterstützt." Besonders gefreut hat sie dabei, dass ihre Betreuerinnen ihr in allen Phasen beigestanden sind - gemeinsame Erfolge wurden gefeiert und Niederlagen gemeinsam weggesteckt. Nach dem ersten Gespräch folgten acht Monate Ausbildung beim WIFI, wo sie einen Erst- und Hauptkurs absolvierte, um dann zur Prüfung anzutreten. Erfolglos, denn beim ersten Versuch bestand sie diese nicht. Von dem Rückschlag hat sie sich aber nicht entmutigen lassen. Ihre Antwort darauf: Noch mehr lernen, Hilfe holen und Blick nach vorne. Ihr Fleiß wurde belohnt und seit dem Sommer ist sie auf Wiens Straßen unterwegs und bringt Autofahr-Neulingen das sichere Fahren bei. "Ich habe sehr viel Lob bekommen von beiden Fahrprüfern. Einer hat mir gesagt, dass er bis jetzt noch nie so eine Prüfung gesehen hat und auch nicht glaubt, dass das noch einmal vorkommen wird", erzählt sie sichtlich mit Stolz von ihrer Fahrprüfung.
"Wäre ich nicht Fahrlehrerin geworden, wäre ich Taxilenkerin"
Somit reiht sie sich unter die wenigen Fahrlehrerinnen in Wien ein, die ein Kopftuch tragen. In ihrem Kurs im WIFI war sie zudem die einzige Frau. Unwohl gefühlt hat sie sich deswegen nie und erzählt vom engen Zusammenhalt zwischen den TeilnehmerInnen. Gemeinsam wurde gelernt, beraten, gelacht und wurden Freundschaften geschlossen. Probleme gab es wegen ihres Kopftuchs dabei nie und auch im täglichen Berufsalltag war es nie ein Thema, berichtet sie. Ihre SchülerInnen schätzen sie für ihre ruhige und unterstützende Art. In ihrem Unterricht ist Zekiye Cantilav besonders wichtig, dass sich ihre SchülerInnen wohlfühlen. Ihr Credo: Wenn der Fahrlehrer/die Fahrlehrerin ruhig ist, dann sind es auch die SchülerInnen und lernen besser und effizienter. Besonders stark erinnert sie sich dabei an ihre erste Stunde: "Es war toll. Ich hab mich hingesetzt und ich habe zu dem Schüler gesagt: Heute ist mein erster Tag, ich habe gestern die Prüfung bestanden! Der Fahrschüler hat danach gesagt, dass er sich sehr wohl gefühlt hat mit mir und hat dann alle Stunden bei mir gemacht." Ängstlichen SchülerInnen versucht sie besonders Folgendes zu vermitteln: "Du brauchst keine Angst zu haben, weil die Maschine ohne dich nichts ist. Du bist ein Mensch und erweckst das Auto erst zum Leben - du musst es unter deine Kontrolle bringen."
Seit dem Sommer heißt es für Frau Cantilav Familien- und Berufsleben unter einen Hut zu bekommen. Das ist oft gar nicht so leicht, wie sie lachend berichtet. "Ich habe immer einen Plan. Es gibt kein Chaos in meinem Leben - ich habe immer alles geplant. Das habe ich schon immer so gemacht", erzählte sie mit einem Grinsen im Gesicht. Im Autofahren sieht sie dabei auch einen Schritt in die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit und legt anderen Frauen nahe: "Wir Frauen sind stark und mutig! Nicht nur wir sollen das wissen, sondern wir müssen es aus uns herausholen und zeigen, was wir alles können. Ich habe es mit 32 Jahren und drei Kindern geschafft, von der Hausfrau zur Fahrlehrerin zu werden. Ihr könnt es auch schaffen: Den Führerschein machen und auf der Straße fahren. Traut euch nur! Ich will, dass alle Frauen den Führerschein machen und selbstständig werden. Autofahren ist eine Erleichterung fürs Leben. Lasst euch nicht unterkriegen von anderen Menschen, denn das Leben gehört nur euch und es gibt kein zweites!"
Bereut hat sie ihre Entscheidung nie - denn durch den mutigen Schritt und die richtige Hilfe hat sie sich ihren Lebenstraum erfüllt und kann ihre beiden großen Leidenschaften in ihrem Beruf ausleben: Autofahren und Menschen unterrichten.