Blog | Integration durch Autoreinigung

08.08.2017
Karin Melcher steht im Park und lächelt in die Kamera. Ihre Hände hat sie dabei auf ein Reinigungsgerät gestützt.

Von der Physiotherapeutin zur Start-up-Gründerin einer mobilen Autoreinigung mit umweltfreundlichen Mitteln: Karin Melcher

Ganz persönliche Geschichten motivierten Karin Melcher ein eigenes Start-up zu gründen, damit will sie aktiv bei der Integration von geflüchteten Personen mithelfen

CARamel heißt das Start-up und verspricht mobile Autoreinigung mit umweltschonenden Mitteln. Mit ihrer Idee war sie Teil eines Programms des Deloitte Future Fund und gewann den Preis der Social Start-up Initiative found.

Was macht Sie besonders stolz bei CARamel?

Karin Melcher: Das letzte halbe Jahr - von einer vagen Idee bis zum Businessplan und der Gründung unserer GmbH – und die positive Bestätigung von Deloitte zu bekommen, zu gründen und diese Chance zu bekommen, erfüllt mich mit Stolz.

Was ist CARamel?

CARamel ist eine mobile, umweltfreundliche und soziale Autoreinigung. Uns ging es darum niederschwellige Arbeitsplätze für Flüchtlinge zu schaffen und ihnen die Möglichkeit zu geben auch mit geringen Deutschkenntnissen und nicht anerkannten Qualifikationen einer geregelten Tätigkeit nachzugehen, dabei berufliche Kompetenzen zu erwerben und bei der Arbeit ihr Deutsch zu verbessern. Zusammen mit Studierenden sind sie in Teams unterwegs, die ab vier Autos Reinigungen durchführen, zum Beispiel vor Büros, in Garagen, bei Fuhrparks oder Veranstaltungen. Später möchten wir uns auf Elektroautos spezialisieren und diese während der Ladezeit servicieren. Wir nehmen Außen- und Innenreinigung vor, inklusive einer Handpolitur mit Nano-Versiegelung, sodass der Lack vor UV-Strahlung und rascher Neuverschmutzung geschützt ist. Unsere Reinigungsmittel sind biologisch abbaubar. Später möchten wir auch kleine Servicetätigkeiten, wie Wischerblätter tauschen und Flüssigkeiten nachfüllen, anbieten.

Wie sind Sie auf diese Idee gekommen?

Ich bin eigentlich Physiotherapeutin, aber hatte schon immer das Interesse etwas Technisches zu machen. Vor zwei Jahren war ich im "Frauen in der Technik" (FiT) Projekt bei ABZ*AUSTRIA und habe gemerkt, dass ich mich selbstständig machen möchte. Ein Studium ist sich mit meinen Kindern einfach nicht ausgegangen. 2015 habe ich Abdulkader, der jetzt mit mir gegründet hat, kennengelernt und durch ihn viele Syrer und Iraker, die sich wie er schwer dabei tun Deutsch zu lernen. Letztes Jahr gab es einmal eine schwierige Situation, da hat ein Freund von Aboud die Nachricht bekommen, dass aus seiner Familie auf einen Schlag sieben Kinder ums Leben gekommen sind. In dieser Situation war es sehr wichtig, dass er nicht daheim herumsitzt und mit seinem Leid alleine ist. Er war zum Beispiel nie in der Schule, aber hat wie Aboud im Libanon als KFZ-Mechaniker gearbeitet. Aus diesem Schlüsselerlebnis ist unsere Idee entstanden. Wir wollen langfristig dieser Perspektivenlosigkeit und der Ohnmacht, die man in solchen Situationen spürt, etwas entgegensetzen. Es hilft auch mir besser damit umzugehen, wenn ich Teil der Lösung sein kann. Die Ursachen kann ich nicht bekämpfen, aber ich kann vielleicht das Ankommen in Österreich erleichtern.

Wie ist die Zusammenarbeit mit geflüchteten Menschen?

Das ist natürlich immer wieder eine Herausforderung durch die unterschiedlichen Kulturen und weil sie in einer sehr belastenden Situation sind. Es ist sehr komplex, aber es kann auch sehr lustig sein. Meine Kinder und ich haben uns in Situationen mit Missverständnissen oder sprachlichen Hoppalas manchmal schon krumm gelacht. Da gab es sehr lustige und erheiternde Momente, oft auch erschütternde und belastende, aber ich finde es sehr spannend und ich war schon immer ein offener Mensch und stelle mich gerne neuen Herausforderungen. Wir freuen uns schon auf die erste radelnde Refugee-Mitarbeiterin im Hijab. (lacht) Die geflüchteten Frauen, die ich kenne, haben eine sehr gute Schulbildung, sind gut im Deutschlernen und wollen sich weiterbilden. Unsere Arbeitsplätze sind eher für jene die gerne mit Autos arbeiten, die sich im Schulsystem schwer tun und sonst wenig Perspektiven haben. Insofern werden wir vorerst hauptsächlich mit geflüchteten Männern arbeiten. Uns ist es sehr wichtig auch die Frauen und die Familie unserer Mitarbeiter miteinzubeziehen.

Was bedeutet für Sie erfolgreich zu sein?

Für mich heißt erfolgreich zu sein, Familie und Beruf gut unter einen Hut zu bringen. Erfolg ist für mich auch, dass wir uns getraut haben zu gründen und dieses Wagnis eingegangen sind, dass wir umsetzen können, was wir uns vorgenommen haben, nämlich die Integration von Menschen mit Fluchthintergrund. Damit sie sich nicht nur als hier wohnend, sondern als Teil der Gesellschaft sehen. Oder wenn einer unserer Mitarbeiter durch uns einen anderen Job bekommt. Es ist nie lustig, wenn man Mitarbeiter verliert, aber für uns wäre das ein großer Erfolg.