Tagung | Men in Care
Vereinbarkeit ist eine Managementaufgabe.
Spielen Männer eine Rolle in der Care Arbeit? Ist die Situation in Österreich vergleichbar mit anderen europäischen Ländern? Wie können wir Gleichstellung und Diversität erreichen? Wie können wir die Bedingungen in Unternehmen ändern? Wie müssen die Forderungen an die Politik lauten? Die europäische Studie "Men in Care" ging diesen Fragen nach, dafür wurden 172 Interviews in 21 Betrieben geführt. Die Ergebnisse dieser Unternehmensanalysen diskutierte eine renommierte Runde mit Vertreter*innen aus Unternehmen, Wissenschaft und Beratung.
Studienautorin Elli Scambor vom Institut für Männer- und Geschlechterforschung (VMG) beschreibt im Impulsvortrag, dass Frauen lange Zeit als "natural carer" galten: "Auch heute noch erleben Frauen Hindernisse, wenn sie zu früh aus der Karenz kommen. Männer hingegen erleben Hindernisse, wenn sie in Karenz gehen". Trotzdem hätte sich in den letzten 20 Jahren etwas verändert. Männer wollen sich kümmern, wollen Care-Arbeit übernehmen, stoßen aber europaweit auf Barrieren. Die Perspektive hätte sich verändert, so Scambor. Von "Wollen Männer sich kümmern?" zu "Wollen Unternehmen, dass Männer sich kümmern?" Die Antwort ist in vielen Fällen: Unternehmen sind auf traditionellen Genderrollen errichtet und würden diese auch reproduzieren.
Pflegen ist menschlich
Erich Lehner vom Dachverband Männerarbeit in Österreich (DMÖ) bestätigt im Impulsvortrag, dass der Großteil der Männer bereit ist, sich zu kümmern. Diese Bereitschaft brauche allerdings strukturelle Unterstützung. Bei den pflegenden Angehörigen gäbe es einen Anteil von 34 Prozent Männern, insgesamt haben 20 Prozent der Belegschaft Pflegeaufgaben. Er fordert politische und gesetzliche Unterstützung bei der Care-Arbeit. Je mehr Frauen arbeiten würden, desto mehr wären Männer auch bereit Care-Arbeit zu übernehmen. Das müsse selbstverständlich werden für jeden Polizisten und jeden Politiker. Pflegen wäre nämlich eine menschliche Fähigkeit.
Beide, Scambor und Lehner, sehen Vorteile im isländischen Karenzmodell. "Sechs Monate für Mama, sechs Monate für Papa – use it or lose it, das ist ideal, so Lehner. In Österreich gäbe es zwar das gehaltsabhängige Karenzgeld, das schon sehr gut sei, aber insgesamt zu viele verschiedene Karenzmodelle."
Elli Scambor sieht ebenfalls Vorzüge im isländischen Modell, das die Karenz im Idealfall zu 50:50 aufteile, und fordert den Ausbau der Kinderbetreuung. Sie verweist auf Norwegen: "Die Herdprämie hatte Auswirkungen auf die Beschäftigungsrate der Frauen."
Politik in Zugzwang
Ein Chef müsse proaktiv sein und selbst in Karenz gehen. Ein "Ihr dürft" sei zu wenig, meint Erich Lehner und sieht die Politik in Zugzwang: "Männerpolitik hat die Aufgabe Männer zu adressieren, damit sich Strukturen verändern."
In der anschließenden Podiumsrunde kommt man ebenfalls zu dem Schluss, dass sich gesellschaftlich und kulturell schon etwas verändert habe, dass aber noch viel zu tun ist. Ein Ministerium für Gleichstellung ist dringend notwendig, findet Manuela Vollmann, Geschäftsführerin von ABZ*AUSTRIA. Gemeinsam mit Lehner, Scambor und Vollmann diskutierten: Traude Kogoj, Diversitymanagerin der ÖBB und Nikolaus Griller, Vorsitzender des Gesellschafterausschusses Gebauer & Griller Kabelwerke
Griller erzählt aus der Praxis: Sein Unternehmen hätte zwar 90 Prozent männliche Mitarbeiter, aber vergleichsweise viele weibliche Führungskräfte. Das Thema Familie und Verantwortung wäre gut im Unternehmen verankert. Er selbst war vier Monate in Karenz und versuche, möglichst viele Angebote für seine Mitarbeiter*innen zu schaffen.
Es liegt nicht nur in der unternehmerischen Verantwortung, sondern ist auch eine politische Verantwortung, dass Männer in Karenz gehen.
Vorbilder wichtig
Die ÖBB hätten einen ausgewogenen Karenzanteil zwischen Männern und Frauen, berichtet Diversitymanagerin Kogoj. "Es liegt nicht nur in der unternehmerischen Verantwortung, sondern ist auch eine politische Verantwortung, dass Männer in Karenz gehen." Vorbilder wären wichtig, also Führungskräfte, die länger in Karenz gehen. Das würde sich auch auszahlen, denn: "Ältere Manager bereuen, dass sie kein gutes Verhältnis zu ihren Kindern haben." Die ÖBB hätten sehr gute Erfahrung mit dem "exzellenten Auszeiten- und Karenzmanagementtool ROADMAP*NEUES ARBEITEN von ABZ*AUSTRIA gemacht". Als Ziel hat die ÖBB definiert, bunter zu werden und mehr Frauen in technische Abteilungen zu bringen: "Unsere Reisenden sind zu über 50 Prozent Frauen, die müssen gut abgeholt werden".
Manuela Vollmann erzählt vom Top-Sharing-Modell, mittels dem sie sich mit ihrer Kollegin Daniela Schallert die Geschäftsführung von ABZ*AUSTRIA teilt: "Wir haben unsere Gesamtorganisation so ausgebaut, dass es möglich ist – in anderen Unternehmen ist das leider nicht so selbstverständlich".
"Vereinbarkeit ist eine Managementaufgabe"
Die ROADMAP*NEUES ARBEITEN könne man nicht nur zur Elternkarenz, sondern auch zur Bildungs- und Pflegekarenz nützen. Letztere ist aber ein schwieriges, sensibles Thema, so Vollmann. Sie sieht gerade in Zeiten des Facharbeiter*innenmangels ein großes Problem für Unternehmen, pflegende Angehörige zu verlieren. Diese würden oft aus ihren Jobs aussteigen, weil sie nicht vereinbaren können: "Vereinbarkeit ist eine Managementaufgabe". Griller pflichtet ihr bei: "Unternehmen müssen sich bewusst sein, wo die Reise am Arbeitsmarkt hingeht, und nennt als Beispiele flexible Arbeitszeiten, Homeoffice und Betriebskindergärten, die die Vereinbarkeit erleichtern und die Mitarbeiter*innenbindung stärken. Außerdem sei eine frühe Wiedereinstiegsplanung hilfreich. Im Top-Sharing sieht er ein "superspannendes Modell".