Gegenwartsgespräche | Mag.a Silvia Angelo

18.10.2022 - 09:00 bis 10:00
Porträtfoto Silvia Angelo

Das beliebte Format ABZ*Gegenwartsgespräche ging in die Fortsetzung: Zum bereits neunten Mal luden die beiden Geschäftsführerinnen von ABZ*AUSTRIA, Mag.a Manuela Vollmann und Mag.a Daniela Schallert, zum Online-Talk. Ihr Gast am 18. Oktober 2022 via Zoom: Mag.a Silvia Angelo, Vorstandsmitglied und CFO der ÖBB Infrastruktur AG. Sie ist seit 2017 Vorständin und zuständig für die Ressorts Finanzen, Service und Immobilien.

„Frauen bei ihrer Karriere zu unterstützen ist für Silvia Angelo ein besonders wichtiges Thema und auch Herzensprojekt. Für ihr unermüdliches Engagement in der Frauenförderung sowie visionäre Managementleistungen erhielt sie den Minerva Award von SHEconomy“, stellt Manuela Vollmann Silvia Angelo vor. „Seit vielen Jahren beschäftigt uns bei ABZ*AUSTRIA, wie es gelingen kann mehr Frauen für technische Ausbildungen und Berufe zu begeistern. Durch das FIT. Programm des AMS begleiten wir Frauen auf dem Weg in Handwerk und Technik in Wien und Niederösterreich. Immer mehr Unternehmen stehen auf Grund des Fachkräftemangels vor der Herausforderung, das Potential der Frauen für Technik besser zu fördern. Auch bei den ÖBB ist die Herausforderung gegeben“, so Vollmann.

Generationen- und Kulturwandel

„Wie kann ich ein Arbeitsumfeld gestalten, das mehr Frauen für technische Jobs begeistert und gleichzeitig die interne Unternehmenskultur verändern?“ diese Fragen beschäftigen Silvia Angelo in ihrem Berufsalltag, denn „der Klassiker ist immer noch: Männer rekrutieren Männer.“ Bei der ÖBB Infrastruktur gibt es rund zehn Prozent Frauen, in den nächsten fünf bis sechs Jahren soll der Frauenanteil auf 13 bis 14 Prozent gesteigert werden. „Wir haben den größten Generationenwandel in der Geschichte unseres Unternehmens vor uns. Über 10.000 Kolleg:innen werden das Unternehmen in den kommenden Jahren verlassen und in Pension gehen“, erzählt Angelo. Um die Jobs in ihrem Unternehmen für Frauen attraktiver zu machen, sei es notwendig gegen verstaubte Klischeebilder vorzugehen, die der Realität schon längst widersprechen. „Ich fand die Mentimeter-Umfrage (siehe Grafik) zu Beginn sehr spannend, denn die Frage ist ja auch immer, warum ist das eigentlich so? Warum geht Technik und Frauen so gar nicht gut zusammen? Welche Bilder hat man zu welchem Beruf im Kopf? Schweißen und schmutzige Arbeit werden sehr oft mit Technik assoziiert. Weitere Bilder sind „mehr Gehalt“ und „viel lernen“. Das versuchen wir auch zu vermitteln: Technik-Jobs sind nicht nur spannend, sondern versprechen auch einen guten Verdienst sowie tolle Karrierechancen“, so Angelo. Dass der Bahnbetrieb und die Instandhaltung immer digitaler werden, sieht Angelo als Chance für Frauen.“ Viele haben das Bild, dass die Industrie 4.0 den Eisenbahnbereich nichts angeht, das stimmt aber nicht. Ein Beispiel: Wer in Payerbach am Bahnhof aussteigt, sieht immer noch die schöne Dampflok. Die ist aber im Museum. Am Gleis ist Hightech, die Züge werden digital gesteuert und genau hier sehe ich die Chance mit alten Bildern zu brechen und zu zeigen, was alles bei uns möglich ist.“ 

Mentimeter-Umfrage: Cloud-Ergebnis

Mentimeter-Umfrage: Cloud-Ergebnis

„Klischeekillerinnen“ 

"Klischeekillerinnen“ heißt demnach der Imagespot der ÖBB Infrastruktur AG, den Silvia Angelo im Zoom-Talk vor einem interessierten Publikum präsentiert: „Wir müssen die ÖBB weiblicher machen“. Stolz ist Angelo auf den Anteil von 14 bis 15 Prozent Mädchen bei den technischen Lehrlingen im Konzern: „Wir müssen sehr gut darauf achten, dass diese Mädchen bei uns bleiben möchten. Wir müssen ein Klima schaffen, indem sich Frauen jeden Tag willkommen und als Teil des Teams fühlen. Dafür braucht es eine ganze Reihe an Maßnahmen, u.a. Cross-Mentoring-Projekte gemeinsam mit ABZ*AUSTRIA.“ Wichtig sei auch, dass Männer diesen kulturellen Wandel ebenfalls mittragen: „Bei einem Männeranteil von rund 90 Prozent sind oft Männer Führungskräfte, die vor Ort verantwortlich sind. Diese Männer sind ein Faktor, ob die jungen Frauen gut bei den ÖBB ankommen, oder nicht.“ Weiters bekamen alle Bereiche bei den ÖBB die Aufgabe gestellt, sich frauenfördernde Maßnahmen zu überlegen. Finanzielle Anreize hätten dafür gesorgt, dass das auch passiere. „Ermöglichungshaltung statt Abwehrhaltung ist unsere größte Herausforderung“, sagt Angelo. Schichtdienste und Arbeitszeiten wären Probleme, aber mit Teilzeit-Angeboten versuche man bei den ÖBB den Eltern entgegenzukommen.

"Klischeekillerinnen“, der Imagespot der ÖBB Infrastruktur AG:

Trotz der knappen Zeit von einer Stunde konnten auch noch einige Fragen beantwortet werden. „Gerade im IT-Bereich sind Mitarbeiter*innen heiß begehrt. Wie geht ihr damit um – und vor allem mit den Wünschen der jungen Generation um, also vier Tage pro Woche, Homeoffice, Sabbatical, etc. Gibt es für diese Gruppe eigene Rahmenbedingungen?“, nimmt Daniela Schallert eine Frage aus dem Chat auf.

Kinderbetreuung, Homeoffice und neue Arbeitszeitmodelle

„An der Vier-Tage-Woche führt kein Weg vorbei, das wird eine Frage der Zeit sein. Wir haben mit Homeoffice jetzt bereits einen großen Sprung gemacht. Es ist aber auch wichtig darauf zu achten, dass die Angebote entsprechend zur Verfügung stehen – Stichwort Kinderbetreuung. Wo es möglich ist, bauen wir im Unternehmen die Kinderbetreuung aus. Zusätzlich sind Flying Nannies in den Regionen vor Ort“, erklärt Silvia Angelo. Daniela Schallert stellt eine weitere Chat-Frage: „Wurden Sie schon jemals als Quoten-Frau bezeichnet und was würden Sie jemandem empfehlen, der oder die als solche bezeichnet wird aber eigentlich für die Arbeit respektiert werden möchte?“

„Natürlich kommt das vor, aber umgekehrt fragt auch keiner, ob die Männer dort sitzen, weil sie Männer sind und weil Männer Männer rekrutieren. Ich war deswegen noch nie gekränkt. Ich sehe das auch nicht als Frage, ob ich für meine Arbeit respektiert werden möchte oder nicht, ich finde, das sagt mehr aus über den Menschen, der das sagt, als über mich“, erwidert Silva Angelo.
Wir bedanken uns an dieser Stelle nochmals sehr herzlich bei Mag.a Silvia Angelo, dass sie unser Gast war und sich Zeit für dieses spannende Gegenwartsgespräch genommen hat.