Gegenwartsgespräche | DI Peter Weinelt
Am 2. Mai 2022 luden die beiden Geschäftsführerinnen von ABZ*AUSTRIA, Manuela Vollmann und Daniela Schallert, wieder zum Gegenwartsgespräch via Zoom ein. Ihr achter Gast in dieser Reihe: Der stellvertretende Generaldirektor der Wiener Stadtwerke, DI Peter Weinelt. Er ist für die Bereiche Energie, Personal, Bestattung, Friedhöfe, IT und Immobilien zuständig, hat Energietechnik studiert und über 30 Jahre Erfahrung in der Energiewirtschaft in verschiedensten Führungsfunktionen. Er ist im Waldviertel aufgewachsen, passionierter Bergläufer, ist verheiratet und Vater von drei Kindern, stellt ihn Manuela Vollmann vor.
"Technik ist Männersache und am Arbeitsmarkt sind kaum Frauen mit technischer Ausbildung zu finden. So jedenfalls die Argumentation vieler Unternehmen. Wie gelingt es, den Frauenanteil zu erhöhen?", erkundigt sich Manuela Vollmann, die gemeinsam mit ihrer Geschäftsführerin-Kollegin Daniela Schallert durch den spannenden Vormittag moderiert.
Weinelt hat eine Power-point-Präsentation mitgebracht: Wie kann Gleichstellung in Unternehmen auch unter herausfordernden Rahmenbedingungen gelingen? "Wie Sie mich vorgestellt haben, musste ich kurz an mein Studium in den 80er Jahren denken, die Situation ist seitdem nicht sehr viel besser geworden", beginnt Weinelt seinen Vortrag. "Es bewegt sich zwar in die richtige Richtung, aber zu langsam. Es kann auch in der Technik nur das Ziel sein, halbe-halbe zu erreichen." Die Wiener Stadtwerke haben knapp über 15.000 Mitarbeiter, Weinelt rechnet bis 2030 mit einer Fluktuation von 14.000 Mitarbeitern. "Ein Großteil wird sich am Arbeitsmarkt weiterbewegen, über 5000 Mitarbeiter werden pensioniert. 44 Prozent unserer Führungskräfte werden in Pension gehen. Die Führungsstruktur wird sich stark verjüngen", berichtet Weinelt.
Unternehmenskultur ganzheitlich ändern
Unternehmen, die jammern, sie finden nicht die richtigen Mitarbeiter*innen, würden zu wenig in ihre Unternehmenskultur investieren. Die Unternehmenskultur und auch die Rahmenbedingungen müssten ganzheitlich geändert werden: Top-down und Bottom-up. "Wir haben seit 2017 eine Konzernrichtlinie für Gleichstellung, wir wollen überall 50:50 erreichen". Weinelt empfiehlt aus seiner Praxiserfahrung, Konzernrichtlinien nicht nur zu erlassen, sondern immer wieder zu kommunizieren, zu erklären, zu monitoren und in alle Konzern-Netzwerke bringen. Talente Programme ermöglichen außerdem junge Frauen auszubilden und zu fördern und ihnen eine Chance auf eine höhere Position zu eröffnen.
Weinelt erzählt, dass die Wiener Stadtwerke auf das FiT-Programm setzen und damit sehr gute Erfahrungen gemacht haben. Viele Damen sind aus dem Gastgewerbe oder der Hotellerie gekommen, um eine technische Berufsausbildung zu machen, die meisten schon über dem klassischen Lehralter. Die Ausbilder*innen sind begeistert von dem Einsatz und den Erfahrungen der Damen. Die Zusammenarbeit mit Schulen zahlt sich auch aus: "Wir bekommen Mädchen nur in technische Lehrberufe, wenn wir Schnupperangebote machen. Wo man Mythen und Legenden ausräumen und wo man weibliche Werkmeisterinnen und Ausbildnerinnen kennen lernen kann."
Besonders stolz ist Weinelt auf den Anteil der Frauen in Führung im Konzern, nämlich über 26 Prozent. "Das steigt schneller als der gesamte Frauenanteil im Konzern, das gibt Hoffnung." Seit letztem Jahr gibt es erstmals über 20 Prozent, also mehr als 3000 Frauen im Konzern. Mehr als 25 Prozent der Lehrlinge sind weiblich, davon sind mehr als zwei Drittel in technischen Berufen.
Frauen in Führungspositionen werden bei Neuaufnahmen auch Frauen forcieren, ist sich Weinelt sicher. Die Steigerung des Frauenanteils im Konzern steht in den monetär bewertbaren Zielen. Die Folgen: Manche Ausschreibungen werden wiederholt bzw. neu formuliert, wenn sich keine Frau beworben hat.
Persönlich finde ich es unvorstellbar, dass meiner Tochter nicht die gleichen Karrieremöglichkeiten offenstehen könnten, wie meinen beiden Söhnen.
Drei Geschäftsführerinnen für die Wiener Linien
Eine eigene Abteilung in der Holding beschäftigt sich mit Unternehmens-Change, Unternehmenskultur und Diversity. Diese Themen müssen laut Weinelt in einer gesamtheitlichen Betrachtung permanent transportiert werden. Wichtig ist die Schaffung von Symbolen. Zum Beispiel, dass die Wiener Linien ab Herbst von drei Geschäftsführerinnen gemanagt werden. "Das gibt’s im ganzen deutschsprachigen Raum nicht, dass ein Infrastruktur-Unternehmen dieser Größe von drei Frauen geführt wird. Unsere Erfahrung zeigt, dass das auch den Boden aufbereitet für das 50:50-Ziel. Ich bin zuversichtlich, dass meine Nachfolgerin in ein paar Jahrzehnten den 50 prozentigen Frauenanteil erreicht haben wird und stolz darauf sein kann." Der Konzern investiert viel in die Weiterbildung der eigenen Führungskräfte und achtet auch darauf, dass immer 50 Prozent Frauen dabei sind. "Ich halte das für einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil, wenn in Unternehmen auch Frauen ihre Sichtweisen einbringen", erzählt Weinelt von seinen Erfahrungen.
Auf die Frage aus dem Publikum nach seiner persönlichen Motivation für Gleichstellung antwortet Weinelt, dass er einerseits eine arbeitende Mutter als Vorbild gehabt hat und es persönlich unvorstellbar findet, dass seiner Tochter nicht die gleichen Karrieremöglichkeiten offenstehen könnten, wie seinen beiden Söhnen.
Wie Weinelt kritische Kolleg*innen vom Thema überzeugt, ist eine weitere Frage aus dem Publikum. Der Manager erläutert seine Strategie: "Man muss investieren und erklären. Wenn man will, dass junge Frauen in schweren technischen Berufen zupacken können, dann investiert man als Firma zum Beispiel in Exoskelette, in Hebe-Einrichtungen, etc." Manche Mitarbeiter*innen werden im persönlichen Gespräch von Peter Weinelt überzeugt und wenn jemand die Unternehmenslinie nicht mittragen will, zieht er Konsequenzen: "Die Frauen und Männer im Unternehmen müssen sehen, dass das ernst gemeint ist."
Pandemie: Häufung von Burnout-Fällen
Manuela Vollmann berichtet, dass Frauen in der Pandemie den Großteil der Betreuung erledigt, ihre Arbeitszeit reduziert oder ihren Job gleich ganz aufgeben haben. "Wie sind Sie als Personalchef auf diese Probleme eingegangen?", fragt die Geschäftsführerin von ABZ*AUSTRIA. "Ich war im ersten Lockdown froh, dass meine Kinder schon erwachsen sind", zeigt sich Weinelt erleichtert. Die Pandemie hätte alle organisatorischen Schwächen fokussiert aufgezeigt. Trotz einer großzügigen Homeoffice-Richtlinie samt gutem Equipment sind viele an ihre Grenzen gestoßen: Es gibt leider eine Häufung von Burnout Fällen, darunter ein großer Anteil an Frauen, die alleinerziehend sind und schulpflichtige Kinder haben. Unterstützung bekommen die Mitarbeiter*innen von Arbeitspsycholog*innen und externen Dienstleister*innen. Teilzeit-Führungskraft ist Standard im Unternehmen, die effizientesten Mitarbeiter*innen sind laut Weinelt oft Teilzeit-Mitarbeiter*innen. Schwierig sind die Schichtdienste, die auch in Teilzeit nicht mit den Betreuungseinrichtungen zusammenpassen. "Wir versuchen zwar mit der Diensteinteilung zu helfen, aber man kann keine Wunder bewirken. Da sieht man die Schwächen des Systems, es funktioniert in Wien besser, ist aber in den Bundesländern schwierig, weil dort die Betreuungseinrichtungen früher zusperren", erzählt Weinelt aus dem Firmenalltag.
Die Wiener Stadtwerke setzen auf das FiT-Programm und haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht.
Hemmnis für Frauenaufstieg: Mangelnde Kinderbetreuung
Die mangelnde Betreuung ist für Weinelt eines der größten Hemmnisse für den Frauenaufstieg: "Wenn man Männer in Karenz und Teilzeit haben will, damit sie sich mehr um die Kinder kümmern, dann muss die Kinderbetreuung besser funktionieren." Die nächste Mädchengeneration wäre in einer besseren Startposition, wenn sie jetzt schon Vorbilder hat, nämlich Mütter, die Karriere machen. Das rechnet sich für Weinelt, vor allem beim Facharbeiter*innenmangel: "Wenn es uns besser gelingt, Frauen in die Technik zu bekommen, vom Lehr- bis zum Universitätsabschluss, dann hat sich der Facharbeiter*innenmangel bald erledigt. Dann sind die Kosten einer längeren Kinderbetreuung vernachlässigbar." Weinelt fordert außerdem flexible Lösungen, die nicht ausschließlich von den Eltern finanziert werden.
Wir bedanken uns an dieser Stelle nochmals sehr herzlich bei DI Peter Weinelt, dass er unser Gast war und sich Zeit für dieses spannende Gegenwartsgespräch genommen hat.