Gegenwartsgespräche | Dr. Erich Lehner
Am 28.09.2021 fand nach einer kurzen Sommerpause das fünfte ABZ*AUSTRIA Gegenwartsgespräch statt. Als Gast für den Monat September konnte Dr. Erich Lehner, Psychotherapeut und Vorsitzender des Dachverbandes der Männerarbeit in Österreich (DMÖ), gewonnen werden. Dr. Lehners Input trug den Titel "Caring Masculinities und Gleichstellung – geht das?"
Erich Lehner freute sich über die Einladung zum Gegenwartsgespräch und startete gleich vorweg mit einer Antwort auf die im Titel gestellte Frage: "Es muss gehen, es geht nur zusammen und ich glaube, es ist die Zukunft." Caring Masculinities ist ein Gegenentwurf zum derzeitigen Männerbild. Aktuell definiert sich das Männlichkeitsbild, über den durchsetzungsfähigen Mann, der in Konkurrenz zu anderen steht und diese Konkurrenz über Wettbewerbe und Hierarchien beantwortet. Nicht im Vordergrund steht die Beziehung, die Sorge um andere, die Sorge um sich und die Sorge um die Umwelt.
Aus der Männerforschung kennt man das gegenwärtige Männerbild, aber man hat auch herausgefunden, dass es Kulturen, Regionen und Gruppen von Männern gibt, die nicht diesem Bild entsprechen. Dort, wo Männer und Frauen gleichgestellt leben, gibt es die typisch männlichen Attribute, des gewalttätigen, kriegerischen Mannes, der sich durchsetzen muss, viel weniger, was zum deutlichen Vorteil des Mannes ist und selbstverständlich auch zum Vorteil von Frauen, Kindern und Gesellschaft. Männer die gleichberechtigt leben, so berichtet Erich Lehner aus der Forschung sind gesünder, fühlen sich fitter und sind ausgeglichener.
Gleichstellung kann nicht allein mit Empowerment von Frauen gelingen, es ist auch notwendig, das Männerbild zu verändern.
Lehner erläutert, dass Gleichstellung nicht allein mit Empowerment von Frauen gelingen kann, sondern dass es auch notwendig ist, das Männerbild zu verändern. Caring Masculinities wurde zu einem fachlichen Konzept, zu einer strategischen Perspektive und zu einem politischen Leitbild.
Damit sich Männlichkeitsbilder verändern, die Transformationen von Männlichkeit gelingt, braucht es Veränderungen auf einer Micro-, Meso- und Makroebene, erläutert Erich Lehner. Es braucht strukturelle Entscheidungen, dass Männer in Sorge kommen. Selbstverständlich ist es notwendig, dass in den Familien Strukturen geschaffen werden, dass in den Familien „Halbe-Halbe“ gelebt werden kann. Auf der Macroebene braucht es Strukturen, dass Männer genauso Karenz nehmen wie Frauen und den geschlechtergerechten Anteil für unbezahlte Arbeit übernehmen. Am meisten hakt es laut Erich Lehner allerdings auf der Mesoebene in den Betrieben, in der Industrie, wo z.B. Arbeitszeiten verändert werden müssen, dass es zu einem geschlechtergerechten Ausgleich kommt, dass Männer Sorgearbeit übernehmen können.
Die beiden Geschäftsführerinnen Manuela Vollmann und Daniela Schallert, die durch den spannenden Vormittag moderiert haben, teilen die Überzeugung, dass Gleichstellung nur dann gelingen kann, wenn strukturelle Veränderungen für Frauen UND Männer stattfinden. Ganz im Sinne des Gegenwartsgespräch ist es jetzt an der Zeit diese Strukturen zu schaffen und zum Wohle aller Caring Masculinities möglich zu machen.
Das gesamte Video zum Gegenwartsgespräch mit Dr. Erich Lehner ist auf unserem Youtube Kanal abrufbar.
Die im Video erwähnten Studien sind:
- Øystein Gullva°g Holter (2014): "What’s in it for Men?":Old Question, New Data, in: Men and Masculinities , Vol. 17(5) 515-548
- Øystein Gullvåg Holter (2013): Masculinities, Gender Equality and Violence. in: MCS - Masculinites and Social Change Vol. 2 No. 1 February pp. 51-81